Sibylle Grosjean

Über gedruckten Himmel

Diese also verhältnismässig kleinen Gewebe aus gedrucktem Himmel entspringen meinem Überfluss an Abbildungen. Was soll ich mit so vielen aus dem Zusammenhang gerissenen Augenblicken? Gestochen Schönes, Bestürzendes, Witziges, Banales, Abstruses, Intimes. Aber immer dort – nie hier. Hier ist nur: Der Bildschirm. Ein Stück bedruckten Materials, wenn's hoch kommt.

Mich plagt die Vorstellung, abgespiesen zu werden: Das Haptische ist nicht billig zu transportieren. Ich bin genötigt, mich mit dem Abbild des Objekts zufriedenzugeben, die sensorische Deprivation zu übergehen, die Erzählung mit dem Erlebnis zu verwechseln.

Meine Bildbearbeitung mit der Paperschneidemaschine ist Verarbeitung der Flut. Körperliche Rückgewinnung1 des Abwesenden, Vorenthaltenen. Ich reisse die fotografierten Himmel aus Magazinen, schneide sie in Streifen und erobere zurück. Material, Geruch, Klang, Objekt und Gefühl.

Dass es der symbolträchtige Himmel ist, in Massendrucksachen feilgehalten und verfügbar, erfüllt mich mit Befriedigung. Dass hier etwas materiell wird – und sei es noch so beiläufig in Modefotos, Haus&Heim-Reportagen und Reiseverheissungen – von dem schwer zu sagen ist, inwiefern es existiert oder auch nur, welche Farbe es hätte, finde ich unterhaltend. Und dass die Himmelsteppiche sich nicht recht fotografieren lassen, wenn sie fertig sind, werte ich als Erfolg.

Am Ende meiner tendenziell langen, nicht immer geschickten aber jedenfalls physischen und persönlichen Bemühungen steht nicht die Hoffnung, ein Bild oder Gefühl von Himmel zu vermitteln. Das kann man sich draussen vor der Tür verschaffen. Sondern das fertige Artefakt: Von Menschenhand, von Fleiss und Scheitern, von Papier, Gewebe und Gegenwart.

grs, Zürich, 28./29./30./31. Oktober 2012

1 retrieval, urban mining, second working, reclamation (gemäss http://dict.tu-chemnitz.de/deutsch-englisch/R%FCckgewinnung.html)