über Dinge
Die Dinge stellen nichts dar. Sie sind das Überbleibsel einer Zeitspanne von
Konzentration und Selbstvergessen-heit, koaguliert. Meine Dinge sind nicht
verbal. Sie formulieren nichts, sie haben keinen Titel.
Ein Ding ist ein arbiträres und intimes Konstrukt. Es ist dann fertig, wenn
ich damit fertig bin.
Darüber hinaus hat es keine Rechtfertigung, keinen Anspruch, keine
Grundidee. Es beginnt seine Existenz als Folge meines Tuns und verdankt sie
danach seiner – oft fragilen - Fortgesetztheit. Es fällt mir schwer, einen
Diskurs über die Dinge zu führen. Weil es keine Bedeutung gibt, über die ich
sprechen könnte – die Dinge sind zwecklos und frei von Funktion.
Es gibt keine Regeln, nach denen ein Ding konstruiert werden muss. Es
entsteht aus dem, was mir in die Finger kommt. In seiner Zusammensetzung
spiegeln sich nur die Verfügbarkeit und meine Vorliebe für bestimmte
Materialien und Verbindungen. Ob ein Bestandteil alt oder neu, gefunden, von
mir gekauft oder mir geschenkt wurde, ist irrelevant.
Wichtig ist hingegen, dass ich das Bauteil nicht nur optisch sondern vor
allem haptisch begehrenswert finde: Gewicht, Form und Deformiertheit,
Oberflächenbeschaffenheit und
-struktur, Biegsamkeit und deren Mangel.
Ich habe kein Ganzes im Sinn, wenn ich beginne. Ich setze mich hin,
betrachte, befingere die Teile und fange an, sie zueinander zu legen, sie zu
verdrahten, in sie hinein zu bohren, sie zu verleimen, sie zu verkeilen.
Dabei sind Nägel, Schrauben, Gummi, Draht, Klebstoff, Schnur und Klammern
einmal Subjekt und dann wieder Objekt von Verbindungen. Ich habe das
Bedürfnis nach Mutwilligkeit, nach Prekärem, Stabilität, Spannung und Poesie
und versuche, diese Qualitäten aus den Komponenten hervorzubringen.
Wenn sie fertig sind, überraschen mich die Dinge. Sie erinnern mich vage.
An etwas. Ich möchte sie im Nachhinein irgendwie dingfest machen, in sie
eindringen. Vielleicht werde ich das eines Tages tun. Man könnte die exakten
Bestandteile nach Artikel- und Herstellernummer, nach genauer Bezeichnung
auflisten und eine Explosionszeichnung von ihnen anfertigen, um sie zu
rekonstruieren.
Sie zu fotografieren, ist ein Anfang, ein Versuch, zu ergründen, wie es
kommt, dass aus dem haptischen Prozess Etwas geworden ist. Und schliesslich
sind die Fotos Ausdruck der Zuneigung, die ich zu meinen Dingen empfinde,
wenn sie fertig sind.
Beim Fotografieren erhalten sie ihre Bezeichnung. Es handelt sich um den
Dateinamen, welchen die Kamera von selbst vergibt – resp. im Fall von Scans,
um den Code vom Fotolabor auf der Rückseite der Fotografie. Das scheint
angemessen – die Bezeichnung ist ebenso wie das Ding selbst ganz
spezifisch. Und praktisch bedeutungslos.
Zürich, 8/2009, 11/2010, 6/2011